Immer füge hinzu, immer wandere, immer schreite voran: Bleibe nicht stehen auf dem Weg, kehre nicht um, weiche nicht ab. Zurück bleibt, wer nicht fortschreitet; rückwärts geht, wer dorthin zurückkommt, von wo er schon wegschritt; vom Weg weicht, wer vom Glauben weicht. Besser ein Hinkender auf dem Weg, als ein Renner neben dem Weg. (Sermo 169, 18)
Der Apostelaltar,
vor dem wir jetzt stehen, ist mehr als 500 Jahre alt. Er ist 1596 entstanden, in einer geschichtlich bewegten Zeit. Die Reformation des Augustinermönchs Martin Luther hatte die alte Kirche in ihren Grundfesten erschüttert. Nach dem Konzil von Trient war die katholische Kirche inzwischen zur Gegenreformation angetreten, zur Rückholung der Evangelischen mit allen Mitteln. Ein wichtiger Verfechter dieser Gegenreformation war der einflussreiche Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn. Dieser Bischof hat den Apostelaltar für seine Schwester Cordula Echter gestiftet, die den Schlossherren von Messelhausen, Stephan Zobel geheiratet hatte. Ein großzügiges Vermählungsgeschenk des Bischofs! Vermutlich war es auch als Auftrag an seine hiesigen Verwandten gedacht, um von hier hineinzuwirken in das aufrührerische Taubertal, dessen Menschen der Lehre Luthers schon in großen Scharen gefolgt waren. Der Altar war vielleicht auch eine Aufforderung, im Geist jener Zeit aufzubrechen, um mit dem Feuer des Pfingstgeistes die Irrgläubigen wieder heim in den Schoß der römischen Kirche zu holen.
Doch das Altarbild, das der unbekannte Künstler geschaffen hat, zeigt uns einen anderen Aufbruch. Aus ihm atmet der pfingstliche Geist eines liebevollen Gottes.
Dies zeigt der Umgang der Apostel miteinander, denen das Licht des Heiligen Geistes schon geschenkt wurde.
Im Hintergrund des Bildes sieht man hinter gewaltigen Bastionen die Paläste und Hochhäuser der Stadt Jerusalem. Die Apostel sind schon aufgebrochen. Sie haben den Schutz und Luxus der Großstadt hinter sich gelassen, auch deren Mauern und „goldene Fesseln“. Sie treffen sich noch einmal draußen unter freiem Himmel, bevor sie in die Welt hinausgehen, um die befreiende Botschaft Jesu zu verkünden.
Da sammeln sich keine Uniformträger. Die Apostel brechen nicht im Gleichschritt auf, um anderen ihre Wahrheit aufzuzwingen. Es ist auch kein Kommandeur zu sehen, der die Marschrichtung befiehlt. Wir sehen vielmehr eine bunte Ansammlung von Menschen, die in ihrer eigenen Persönlichkeit gut erkennbar bleiben, jeder von ihnen ein gottgewolltes Original. Aber spürbar ist der Geist der Brüderlichkeit, die liebevolle Verbundenheit in einem gemeinsamen Auftrag, die Lust, aufzubrechen und den Geist der Liebe weiterzutragen zu den Menschen. Darauf bereitet sich jeder Apostel ganz auf seine Weise vor.
Jakobus d. Ä., mit der typischen Muschel am Hut, schaut gespannt, aber auch etwas nachdenklich aus dem unteren linken Bildrand in die Ferne. Wohin wird ihn der Weg führen? Erkennbar ist nur, dass er sich in Bewegung setzt.
Neben ihm stützt sich ein Apostel auf seinen Wanderstab und nimmt erst mal einen kräftigen Schluck aus der Feldflasche. Wer aufbrechen will, muss sich stärken. Er braucht Reserven für den Weg.
Hinter ihm faltet ein Apostel betend die Hände. Sein Nachbar, das Reisebündel schon auf der Schulter, legt sich die Hand aufs Herz, wo seine Sehnsucht wohnt.
Sie gehen im Vertrauen auf Gottes Führung hinaus auf den unbekannten Weg.
Da singen in der rechten Bildhälfte zwei Apostel aus voller Brust ihre Lebensfreude hinaus in die Welt. Augustinus sagt: „Singen heißt doppelt beten“. Singen erleichtert den Aufbruch und beflügelt die Schritte.
Derweil sitzt ein älterer Apostel in meditativer Haltung vor den beiden Sangesbrüdern, vertieft in ein Buch auf seinem Schoß. Nichts lenkt ihn ab. Ein Mitbruder legt ihm zärtlich die Hand auf die Schulter. Auch das Innehalten, das Hinhören auf die eigene Stimme, gehört zu einem glückenden Aufbruch. Für ihn ist es die Stimme Gottes. Er schaut auf zum Himmel. Vielleicht betet er den Wallfahrtspsalm: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?“
In der Altarmitte umarmen sich Petrus und Johannes brüderlich zum Abschiedskuss.
Sie scheinen zu ahnen, dass sie ganz getrennte Wege gehen werden. Petrus´ Weg führt ihn nach Rom, in das Zentrum der damaligen Macht. Dort wird er seinen Glauben mit dem Tod bezeugen. Johannes geht nach Ephesus, kümmert sich liebevoll um die Mutter Jesu und verkündet die Frohe Botschaft. Ein Evangelium trägt heute seinen Namen.
Im linken Bildabschnitt sieht man einen Mann auf der Straße gehen, die nach Jerusalem hinaufführt. Es ist Judas, der Jesus an die Hohen Priester des Tempels ausliefert. Einsam geht er seinen Weg hinauf zur Stadt. Es ist der Weg in den Tod. Doch es ist sein Weg. Er muss ihn so gehen, weil Jesus einen anderen Weg ging, als er es sich erträumt hatte. Aber auch Judas bleibt sich treu.
„Stets gebe Christus den Glauben, Christus sei Ursprung des Christen, in Christus sei der Christ verwurzelt. Christus sei das Haupt des Christen. Wandle in den Spuren dieses Menschen, und du gelangst zu Gott. Suche keinen Weg, um zu Gott zu gelangen, außer diesem einen. Denn wenn er selbst nicht dein Weg geworden wäre, würden wir uns immer verirren. Ich sage euch nicht: Sucht den Weg! Dieser Weg kommt selbst zu euch: Steh auf und geh!“
(Sermo 169, 18)
Psalm 121:
Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er lässt deinen Fuß nicht wanken; er, der dich behütet schläft nicht. Nein, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Der Herr ist dein Hüter, der Herr gibt dir Schatten; er steht dir zur Seite. Bei Tag wird dir die Sonne nicht schaden noch der Mond in der Nacht. Der Herr behüte dich vor allem Bösen, er behüte dein Leben. Der Herr behüte dich, wenn du fortgehst und wiederkommst, von nun an bis in Ewigkeit.
Ich gehe über den Friedhof zum hinteren Ausgang, zum ersten Wegzeichen.
Ich komme vorbei an der Skulptur Werden und Vergehen, die uns am Ende des AugustinusWeges wieder erwartet. Im Wechselspiel des Lebens, im Wechsel von Werden und Vergehen, bin ich, wie Augustinus, unterwegs auf meinem Weg.