Mögliche Erklärungsversuche für dieses Phänomen sind wohl in unterschiedlichen religiösen Vorstellungswelten der verschiedenen Stammes- und Sippenverbände zu suchen und möglicherweise auch in deren unterschiedlicher regionaler Herkunft. Auch ist gegen Ende des 3. Jahrtausends damit zu rechnen, dass sich Einflüsse der Glockenbecherkultur, einer zweiten großen über weite Teile Europas verbreiteten Kultur bemerkbar machen. Denn es steht fest, dass einerseits der Austausch technologischer Errungenschaften der endsteinzeitlichen Bevölkerung Mitteleuropas am Übergang zur Bronzezeit sehr groß gewesen sein muss, andererseits auch mit Bevölkerungsverschiebungen und -wanderungen zu rechnen ist, worin eine Mobilität zum Ausdruck kommt, die möglicherweise mit einer bestimmten Wirtschaftsweise in Zusammenhang gebracht werden kann.
Besonders aber haben in Zeiten des kulturellen Wandels mentale und ideologische Strömungen zu unterschiedlichen Verhaltens- und Glaubensvorstellungen geführt. Es liegt außerdem nahe, dass in dieser Umbruchphase auch Einflüsse bereits metallführender Kulturen und deren Übermittler Einfluss auf traditionelle steinzeitliche Gesellschaften ausgeübt haben, wobei die am Ende der schnurkeramischen Periode auftauchende Glockenbecherkultur - über die wir im Grunde genommen ebenso wenig wissen - einen zusätzlichen Entwicklungsschub ausgelöst haben mag.
Es ist jedenfalls an zahlreichen archäologischen Fundplätzen in Mitteleuropa zu beobachten, dass sich beide Kulturen - die Schnurkeramiker und die Glockenbecher - in einer Art Symbiose zusammengefunden haben. Es haben sich spezifische Eigenheiten beider Kulturen miteinander verbunden, wobei die Glockenbecherkultur offensichtlich dem neuen Werkstoff Metall, verbunden mit neuen kulturellen Umwälzungen wesentlich offener gegenüberstand.
Aufgrund ihrer Verbreitung über Mitteleuropa hinaus besaßen sie auch Kontakte zu den Metalllagerstätten, wo Kupfer gewonnen werden konnte und wo die Zentren der neuen Technologie lagen. Die Impulse gingen hauptsächlich von Osteuropa und von Südwesteuropa aus. An dieser metallurgischen Entwicklung haben die auf dem Begräbnisplatz im “Wöllerspfad” bei Königshofen bestatteten Schnurkeramiker nicht teilgenommen oder nicht teilnehmen können. Ihre Welt ist noch ganz der Tradition endsteinzeitlicher Kultur verpflichtet, was ihre materielle Ausstattung angeht. Der kulturelle Wandel und die Zeit des Umbruchs deuten sich jedoch bei einigen Bestattungen auf diesem Begräbnisplatz archäologisch an.
Der schnurkeramische Bestattungsplatz im “Wöllerspfad” bei Königshofen. Bestand und Lage der Gräber nach Abschluss der Ausgrabungen im Jahr 2000.